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DI-Recording von E-Gitarren

Wenns einmal schnell gehen soll...

Wie wird eine E-Gitarre "direkt ins Pult" aufgenommen?

Vorrede

Naiv könnte man sagen: nimm den Preamp (oder den Line-Ausgang Deines Verstärkers), stöpsele die Klampfe in den Amp und den Amp ins Pult und fertig ist die Laube. Wer sowas schon mal probiert hat, wird feststellen, daß der Sound, den man so erzielt, viel zu höhenlastig ist; er sägt unangenehm und hat keinen Druck und ist einfach nur ätzend.
Das liegt daran, daß die Lautsprecher, die zur Verstärkung von E-Gitarren verwendet werden, so einen großen Einfluß auf den Sound haben.

Das liegt an ihrem speziellen Frequenzgang. Siehe dazu auch den Kasten rechts !
So ein Frequenzgang wie der rechts gezeigte würden jeden Hifi-Fan zur Weißglut bringen, für die E-Gitarre jedoch macht er den Sound aus, den wir alle gewöhnt sind. Dadurch, daß die Höhen weggeschnitten werden, entfallen die "ätzenden" Oberwellen, die bei der Verzerrung des Gitarrensignals entstehen, der Peak in den Mitten sorgen für "Biß", und die Absenkung im Tiefbaß nimmt den "Wubber" aus dem Sound. Speaker unterschiedlicher Marken zeigen auch noch unterschiedliche Verläufe, aber im großen und ganzen sehen sie alle recht ähnlich aus.
Die Konstruktion der Boxen ist ein weiterer bestimmender Faktor für den Sound der E-Gitarre.


evm12lfrequenzgang_gross.gif, 33K

Hier der Frequenzgang eines Electro-Voice EVM12L-Speakers. Dieser Lautsprecher wird z.B. von Mesa/Boogie verwendet. Die Grafik ist aus dem Datenblatt und (c) Electro-Voice. Ich hatte sie nur gerade so zur Hand. Wenn Du auf das Bild klickst, wird es nochmal viel größer in einem anderen Fenster aufgemacht.
Beachte: der Frequenzgang ist alles andere als linear; zu 10kHz hin fällt er stark ab, es gibt einen ausgeprägten Peak bei 3,5kHz und einen schwächeren bei 1kHz. Im Baßbereich fällt der Speaker unterhalb von 80Hz ab.

Combo-Verstärker sind meist hinten offen. Das führt zu einer Absenkung im Baßbereich. Die Mitten scheinen betonter, der Sound wirkt insgesamt etwas weniger "wuchtig". Das ist aber für viele Stile auch gewünscht.

Geschlossene 4x12- und 2x12-Boxen haben mehr Baßdruck (besonders die 4x12er), dafür treten die Mitten etwas weiter in den Hintergrund. Aufgrund der Phasenauslöschungen (siehe auch die Mikrofonie-Seite ) ändert sich auch der Klangcharakter. Insgesamt sind 4x12er die druckvollsten, brachialsten Gitarrenboxen, die gebaut werden. Sie bewegen einfach am meisten Luft. Sie sind aber auch schwer zu transportieren und schwer zu zügeln: gerade in kleinen Sälen ist die Gitarre im Publikum oft schon viel zu laut, während man sich selbst auf der Bühne kaum hört.

1x12er-Boxen werden meist nicht geschlossen, sondern als Baßreflex-Boxen ausgeführt. Dies sorgt für eine bessere Baßwiedergabe und mehr Druck. Insgesamt klingt eine Baßreflex-1x12er "größer" als eine geschlossene. Mit potenten Speakern (z.B. E-Voice) bestückt, kann so ein 1x12er-Pärchen einer 4x12er durchaus das Wasser reichen: bei gleicher Endstufenleistung, wohlgemerkt!

Warum die ganze Vorrede?

Nun, wenn ich meine Gitarre direkt aufnehmen möchte, muß ich dafür sorgen, daß die gewünschte Boxen- und Lautsprecher-Charakteristik irgendwie simuliert wird. Damit haben sich natürlich schon länger Leute beschäftigt, und so gibt es eine Vielzahl von Lösungen, die als "Speaker-Simulater", "Cabinet-Simulator", "Cabinetulator" etc. bezeichnet werden. Grundsätzlich machen alle diese Geräte eine Frequenzgangkorrektur des Eingangssignals und geben diese (am besten noch galvanisch getrennt) auf einen Ausgang, an dem man dann einen "simulierten" Boxensound abgreift.
Es gibt aber zwei Klassen dieser Geräte: die eine macht nur das oben beschriebene, die andere enthält noch Lastwiderstände in unterschiedlichen Konfigurationen. Diese Geräte werden dann an den Lautsprecherausgang eines Röhrenamps angeschlossen, so daß sie für diesen die Last darstelle und er ohne angeschlossene Speaker betrieben werden kann. Niemals einen Röhrenamp ohne Speaker betreiben! Sowas killt mit hoher Wahrscheinlichkeit die Ausgangstrafos, und dann wirds teuer!
Mit diesen Dingern kann man dann auch die Klangcharakteristik der Röhrenendstufe mitnehmen und gleichzeitig den Röhrenamp geräuschlos fahren. Und das war ja der Sinn der ganzen Übung, oder?

Zur Frequenzgangkorrektur:
Die ersten Geräte haben nicht viel mehr gemacht, als die Höhen oberhalb einer Grenzfrequenz mehr oder weniger stark abzudämpfen. Mit fortschreitender Entwicklung wurden die Filter jedoch immer komplexer und haben auch verschiedene Boxentypen imitiert. Außerdem klangen sie auch immer besser. Inzwischen sind die Speaker-Simulatoren sehr, sehr gut geworden. Nicht nur klingen sie fast wie eine echte Gitarrenbox, sie "fühlen sich auch so an" beim Spielen, und das ist sehr wichtig, wenn man einen guten Take abliefern will.
Der König der Speaker-Simulationen ist wohl das ADA MicroCab. Zumindest ist mir noch keine opulenter ausgestattete untergekommen. Auf 1HE/19" bietet das Gerät in vollstereo acht (!) verschiedene Boxensimulationen sowie einen extra abgestimmten 2-Band-EQ an (alles analog). Leider ist ADA vor die Hunde gegangen, so daß diese Geräte nicht mehr gebaut werden - das sind z.B. auf Flohmärkten echte Schnäppchen!
Es existieren auch Geräte, die hauptsächlich für DI-Recording gedacht sind: der Hughes&Kettner Tubeman zum Beispiel, oder das POD von Line6. Bei solchen Geräten sind dann Preamp und Speaker-Simulation in einem Gehäuse integriert, wobei dabei durchaus unterschiedliche Design-Philosophien vertreten werden. Der Tubeman ist voll analog und hat eine Röhre als sounderzeugendes Bauteil, während das POD volldigital versucht, "richtige" Gitarrenamps nachzubilden. Es gibt noch diverse andere, mehr oder weniger aufwendige "Recording-Preamps", z.B. der Formula von Mesa/Boogie oder die alten "Zoom-Kisten", die mit die ersten vernünftigen DI-"Amps" waren.

Mit diesen Geräten kann man hervorragende Ergebnisse erzielen. Ich selbst arbeite mit einem Tubeman (der neuen Version 2) und dem ADA MicroCab und nehme seit geraumer Zeit meine Gitarrenspuren zum allergrößten Teil direkt auf. Sollte der Plattenplatz ausreichen, stelle ich mal ein paar Demo-Samples ins Netz...
Als Alternative kann ich auch mein ganzes Gitarrenrack (mehr dazu auf der Toys-Seite ) nehmen, das auch ein MicroCab enthält, und damit direkt aufnehmen... oder aber live auf der Bühne dem Soundmann das Leben leichter machen und ihm das Abmiken meiner Boxen ersparen: so komme ich unkompliziert und schnell zu einem guten Gitarrensound für die PA.

Auch für die DI-Aufnahme empfehle ich, die Gitarre "trocken", das heißt, ohne Effekte aufzunehmen. Chorus, Delay, insbesondere Hall fügt man besser erst nachher beim Mixdown hinzu. Was auf der anderen Seite unproblematisch ist, ist Wah-Wah (sowieso!), Verzerrer (lassen sich nicht im Nachhinein einfügen) und Kompressoren (mit denen man sich aber auch leicht die Dynamik kaputtmachen kann).

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