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Rechte Hand: Wechselschlag!

Meiner Meinung nach gibt es nur eine Methode, um mit der Anschlagshand gleichmäßig einigermaßen flüssige Läufe zu spielen: den Wechselschlag - also abwechselnd down- und upstrokes. Es werden zwar oft auch andere Anschlagstechniken propagiert, wie das "Sweepen" (mit dem Plek von einer zur nächsten Saite zu springen in einer Bewegung, also ohne neuerlichen Anschlag), doch ich bin der Meinung, diese Techniken schaden mehr als sie nutzen.

Für flüssiges Spiel sind vor allem gleichmäßige Bewegungsabläufe notwendig. Wenn die Bewegungen unserer Hände ungleichmäßig sind und "hakeln", so wird das auch im Endprodukt hörbar sein.
Die gleichmäßigste, "runde" Bewegung der rechten Hand ist der Wechselschlag - der sollte also möglichst immer ausgeführt werden - bei Melodiepassagen, Licks und Soli: jede angeschlagene Note sollte per Wechselschlag angeschlagen werden: OHNE AUSNAHME !
Nun taucht da ein kleines Problem auf: viele der beliebtesten "Pattern", also Griffbilder von Skalen und Tonleitern, sehen auf jeder Saite drei Noten vor: das geht nämlich einfacher in unser Gitarristenhirn und ist einfacher zu merken, wenn auf jeder Saite fast das gleiche passiert und man sich nur merken muß, wo auf jeder Saite die jeweiligen drei Noten sitzen.
Wenn wir nun einen Lauf so eine Tonleiter aufwärts spielen, so sieht das mit konsequent durchgeführtem Wechselschlag so aus:

Quasi-Tabulatur
Wir beginnen auf der tiefen E-Saite
d = downstroke
u = upstroke

E|---------------------------------u-d-u---|
B|---------------------------d-u-d---------|
G|---------------------u-d-u---------------|
D|---------------d-u-d---------------------|
A|---------u-d-u---------------------------|
E|---d-u-d---------------------------------|

Hier passiert also folgendes:
Beim Wechsel von der tiefen E-Saite auf die A-Saite müssen wir einen upstroke durchführen, obwohl die Gesamtbewegung der Hand nach unten gerichtet ist. Dieses nennt man Inversion. Es ist eine ungünstigere Bewegung als sie beim nächsten Wechsel A -> D-Saite auftaucht: dort können wir wieder mit einem downstroke anfangen. Die Inversion wiederholt sich dann wieder beim Wechsel D->G und H->E.
Dies alles ist immer das Argument der Leute, die das "Sweepen" anwenden: die Inversion wird vermieden! Aber der Preis ist, denke ich, zu hoch: die rechte Hand wird aus ihrer gleichmäßigen Auf-Ab-Bewegung gerissen, die ja im Falle des Wechsels von einer Saite zur nächsten ein wenig nach oben oder unten verschoben wird. Das kann man gut üben, bis es sitzt - und das sollte man auch.
Das "Sweepen" hat nämlich noch einen Nachteil: der spezielle Saitenwechsel, also der Bruch in einem ansonsten glatten Bewegungsablauf, muß für jedes neue Lick und Pattern wieder neu eingeübt werden, und auch, wenn mal die Töne einer Tonleiter (oder Scale) in abweichender Reihenfolge gespielt werden. Dies behindert die Imrpovisation und fördert das stumpfe Nachspielen einmal gelernter technischer Phrasen. Den Wechselschlag muß ich nur einmal wirklich einüben, dann kann ich diese Schwierigkeiten wie Inversion o.ä. einfach vergessen - das funktioniert dann ganz automatisch. Ich kann mich vielmehr auf den musikalischen Inhalt meines Spiels konzentrieren. Ich muß nicht mehr über meine Anschlagstechniken nachdenken - schließlich brauche ich nur eine, die aber (fast) immer funktioniert, und kann mir lieber darüber Gedanken machen, was für Töne ich spiele - denn schließlich ist es unser Ziel, Melodien und musikalisch sinnvolle Licks zu spielen und nicht nur technisch beeindruckende.

Ein netter Trick zum Üben und um frei von festgefahrenen Anschlagsmustern zu werden ist folgender:
Man nehme ein Lick, eine Tonleiter oder etwas ähnliches, das man mit Wechselschlag in- und auswendig spielen kann. Nun wird man meistens feststellen, daß man immer gleich anfängt - entweder immer mit einem downstroke oder immer mit einem upstroke, wobei man dazu neigt, "schwere" Zählzeiten im Takt, also z.B. Viertelnoten bei 1/16-Passagen, mit Downstrokes zu betonen.
Zur Übung empfehle ich nun, dieselbe Passage mal mit dem jeweils anderen Schlag zu beginnen (und dann natürlich auch konsequent durchzuspielen). Das kann für den einen oder anderen Augenöffner sorgen - diese bittere Erfahrung habe ich selbst gemacht.

Hier noch ein kleines Beispiel (ein kleiner Lauf in 16tel-Triolen):

TAB:

d = downstroke
u = upstroke
* = 1/4 Note (Zählzeit)

Aufwärts:

1.)        d u d  u d u  d u d  u d u  d u d  u d u  d
2.)        u d u  d u d  u d u  d u d  u d u  d u d  u
      E|--------------------------------------5---5--8------|
      B|------------------------5---5--7-5-7----7-----------|
      G|----------5---5--7-5-7----7-------------------------|
      D|---5-6-7----7---------------------------------------|
      A|----------------------------------------------------|
      E|----------------------------------------------------|
           *             *             *             *

und abwärts:

1.)        d u d  u d u  d u d  u d u  d u d  u d u  d
2.)        u d u  d u d  u d u  d u d  u d u  d u d  u
      E|---8-7-5----5--------------------------------------||
      B|----------7---7--5-7-5----5------------------------||
      G|------------------------7---7--5-7-5----5----------||
      D|--------------------------------------7---6--7-----||
      A|---------------------------------------------------||
      E|---------------------------------------------------||
           *             *             *             *

Wenn man die beiden Läufe direkt hintereinander spielt, wird man feststellen, daß bei Anwendung von Anschlagsart 1.) (beginnend mit downstroke) man in der Aufwärtsbewegung dauernd Inversionen hat, in der Abwärtsbewegung jedoch keine. Trotzdem scheint mir immer Anschlagsart 1.) die natürliche zu sein, weil auf den "schweren" Zählzeiten immer ein downstroke liegt, sozusagen die natürliche Art des Betonens.
Bei Anschlagspattern 2.) ist die Aufwärtsbewegung frei von Inversionen, die Abwärtsbewegung jedoch voll davon. Das Lick "fühlt" sich auch anders an, weil die "instinktiven" Betonungen woanders liegen.

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